Was macht eigentlich ein Bezirksrat?

 

Matyas Sagi Kiss ist seit über sechs Jahren Bezirksrat im Bezirk Zürich. Welche Skills es für dieses Amt braucht, berichtet er SP INFO 4 & 5 im Osso bei einer Cola Zero.

Dass es einen Bezirksrat gibt, habe ich irgendwann während meines Studiums des Wirtschaftsrechts an der ZHAW erfahren. Als kurz nach Studienabschluss die Bezirksrätin Christine Stokar zur Friedensrichterin gewählt und ein SP-Sitz frei wurde, dachte ich, es sei zu früh, um mich für dieses Amt zu bewerben, obwohl es mich sehr interessierte. Doch Freunde und Kolleg:innen aus der SP haben mich so motiviert, dass ich meine Bewerbung im letzten Moment abgeschickt habe.

Kurz darauf sass ich im Hearing der städtischen GL, diese hat mich dem Parteivorstand als Einzelkandidat vorgeschlagen. Der nächste Schritt war das Vorsprechen vor der interparteilichen Konferenz (IPK), die geeignete Personen vorschlägt. Da es keine wilden Kandidaturen gab, bin ich 2018 in stiller Wahl gewählt worden.

Im Bezirksrat behandeln wir Aufsichtsbeschwerden, erstinstanzliche Rekurse gegen Behördenentscheide im Bereich Sozialhilfe, Kindes- und Erwachsenenschutz, Einbürgerungen sowie Stimmrechtsrekurse oder die Verletzung politischer Rechte. Wöchentlich, meist am Donnerstag, findet eine Bezirksratssitzung statt, in der wir die Fälle zu fünft diskutieren, bei den KESB-Fällen sind wir jeweils zu dritt.

Bei den Entscheiden sind wir an die gesetzlichen Grundlagen gebunden. Man hat zwar je nachdem einen gewissen Ermessensspielraum und kann bestimmte Rechtsbegriffe interpretieren, wir sind aber auch an die Materialien gebunden, müssen berücksichtigen, was der Gesetzgeber wollte, und halten uns an die Rechtsprechung der oberen Gerichte. Räumt das Gesetz kein Ermessen ein, muss man auch Entscheide «contre coeur» fällen. Damit muss man leben und umgehen können.

Mich reizt an dieser Aufgabe vor allem die juristische Arbeit, das Behandeln von Sozialhilferekursen und Beschwerden gegen KEBS-Beschlüsse, aber auch die Heimaufsicht – die Aufsicht von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung und von Gesundheitszentren für das Alter – liegt mir sehr.

Die Zuständigkeitsliste ist lang, in gewissen Gebieten haben wir gerade mal alle vier Jahre einen Fall. Es gibt aber auch sich wiederholende Fälle wie die Lex Koller. Zurzeit haben wir viele Sozialhilferekurse und zunehmend viele Aufsichtsbeschwerden gegen Heime. Die Leute wehren sich seit Corona mehr gegen Einrichtungen, in denen ihre Angehörigen wohnen. Auch die Heimbewohner:innen sind informierter und wehren sich mehr.

Das Pensum für einen Bezirksrat beträgt 42 Prozent. Die Arbeitsbelastung schwankt aber stark. Im Sommer kommen etwa die Rekurse zu den Schulhauszuteilungen. Da darf nie mehr als eine Person in den Ferien sein. Eine wertvolle Unterstützung sind unsere juristischen Sekretär:innen, die z. B. nach Rücksprache mit uns den Entwurf des Entscheides schreiben. Zudem gibt es zwei Ersatzmitglieder.

Für die Arbeit als Bezirksrat ist juristisches Wissen wichtig, du brauchst ein Verständnis dafür, wie der Staat funktioniert. Im Gremium musst du dich durchsetzen und deine Meinung vertreten können. Für die KESB-Fälle brauchst du ein feines Gespür, um so viel wie nötig und so wenig wie möglich einzugreifen. Du darfst nicht das Gefühl haben, man müsse per se alle vor sich selbst schützen. Bei der Heimaufsicht musst du mit den Leuten kommunizieren können, auch über unangenehme Themen, und Fragen stellen und weder den Konflikt suchen, noch ihm aus dem Weg gehen. Wachsam und wohlwollend – das ist immer eine Gratwanderung.

Dieser Text erschien im SP Info 4 & 5 2025/August.

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